Vom 26. bis 29. April 2016 fand zum dritten Mal eine Delegationsreise von Vertretern der hessischen Kreativwirtschaft statt. Unter der Leitung von Herrn Staatsminister Tarek Al-Wazir und organisiert von Mitarbeitern von Hessen Trade & Invest (HTAI) ging die Reise diesmal in das Nachbarland Belgien. Lekkerwerken war mit Sebastian Pedersen zum zweiten Mal unter den rund 40 Delegations-Teilnehmern vertreten, die in Brüssel, Antwerpen und Genk verschiedenste Initiativen und Unternehmen aus der flämischen Kreativwirtschaft kennen lernen durften.
Mit dem Reisebus ging es zunächst nach Brüssel. Nach einer ersten emotionalen Einstimmung im Bus auf Land, Leute und »Belgische Pommes« durch die Belgische Honorarkonsulin Ute Raab, wurde die Reisegruppe in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel durch den Deutschen Botschafter Rüdiger Lüdeking empfangen.
Es folgte ein Briefing zu den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Belgien sowie kurze Vorträge zu den wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder, der Kreativwirtschaft in Belgien und zu den geplanten Reformen des EU-Urheberrechts.
Ein anschließender Besuch im Co-Working Space »Factory Forty« zeigte, dass sich kollaborative und flexible Konzepte des kreativen Arbeitens seit einigen Jahren nicht nur in Berlin etablieren, sondern zeitgleich in verschiedenen Regionen Europas wachsen. Mit dem »Heimathafen Wiesbaden« sind wir da im Vergleich gut aufgestellt und gefühlt schon ein paar Schritte weiter als andere Kreativstandorte.
Der erste Abend wurde mit einem Empfang in der Hessischen Landesvertretung abgeschlossen: Nach einem Grußwort des Staatsministers und der Vorführung des Hessen-Imagefilms wurden die vier vertretenen kreativen Gattungen Gestaltung, Architektur, Bewegbild und Verlage/Content durch die Mitreisenden Niko Gültig (DDC Vorstandssprecher), Brigitte Holz (Präsidentin der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen), Karl-Eberhard Schäfer (U5 Filmproduktion) sowie Holger Volland (Vice President Business Development Frankfurter Buchmesse) kurz vorgestellt. Anschließend gab es gute Gespräche, leckere Häppchen und kreative Fotos an der von Sascha Hildebrandt (Tyntyn) bereitgestellten Fotostation.
Kurz vor Antwerpen machte die Reisegruppe einen Stop in Schelle, um dort das TV-Unternehmen »Studio100« zu besuchen. Mitgründer und CEO Hans Bourlon erläuterte in seinem Vortrag eindrucksvoll, wie die komplette Wertschöpfungskette von bekannten Kindergeschichten wie »Wickie«, »Biene Maja« oder »Heidi« von den bekannten Fernseh-Serien über Live-Bühnenshows, Studio-Filmproduktionen bis zum kompletten Merchandising-Programm vom kleinen Ort Schelle aus zentral gesteuert wird. In Zeiten der Digitalisierung ist auch die TV- und Filmbranche im Umbruch: alte Geschäftsmodelle werden durch Youtube & Co abgelöst und spielen kein Geld mehr ein, neue Formate entstehen. Eine wesentliche und beständige finanzielle Säule bildet bei diesem Wandel für Studio 100 interessanterweise das Betreiben verschiedener Vergnügungsparks – darunter der HolidayPark in Hassloch/Pfalz. »Familien wollen gemeinsam eine schöne Zeit verbringen«, so Hans Bourlon, »daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.«
Unter dem Titel »Antwerpen Kunstenstad« kuratiert die Stadt Antwerpen jährlich wechselnde kulturelle Stadtprojekte, um die kulturelle und kreative Vielfalt Antwerpens nach innen und außen zu fördern. Dieses Jahr steht das Projekt unter dem Motto »Born in Antwerp – Harbour of Creativity«. Alte, leerstehende Lagerhallen an einem der vielen Hafendocks wurden kurzfristig zum kreativen Hotspot umfunktioniert – unter Schirmherrschaft der Stadt und mit viel ehrenamtlichem Engagement von Kreativen. Die Patina des vergangenen Jahrhunderts trägt ihr Übriges zur kreativen Grundstimmung bei – in Deutschland aufgrund der strengen Regelungen durch die Baubehörden schon undenkbar. Der Projektmanager, Thijs De Ceuster, führte uns herum und zeigte, wo sich in den kommenden Sommermonaten die Kreativszene durch Ausstellungen, Talks, Festivals und andere Events austauschen und vernetzen wird.
Zur Vernetzung der hessischen und flämischen Kreativszene hatten das Enterprise Europe Network Flandern und Hessen Trade and Invest zu bilateralen B2B-Gesprächen eingeladen – für einige Teilnehmer der Auftakt zu neuen Geschäftsbeziehungen über die Grenzen hinweg. Festzuhalten bleibt allerdings, dass sich gute Geschäftsbeziehungen selten durch ein schnelles »Matching« etablieren. Darum wissen auch die Organisatoren und bieten auch längerfristige Unterstützung bei Kontakten zwischen Hessen und Flandern an.
Ein Highlight der Reise war sicherlich die kleine Stadtführung mit Tanguy Ottomer durch Antwerpens grandiosen Bahnhof sowie durch das eher unscheinbare »Diamantenviertel«, zwei eher schäbige Hintergassen, in denen laut Tanguy aber täglich 70 Prozent des Diamanten-Welthandels per Handschlag stattfindet. Hier also mal umgekehrt »Mehr Sein als Schein«.
Zum Abschluss der Antwerpen-Tour gab es ein Abendessen auf Einladung des EEN Antwerpen, bei dem allen Delegations-Teilnehmern als Dankeschön für den Besuch und als Zeichen der Freundschaft ein Druck des Sonetts »Le Bonheur de ce Monde« des französisch-flämischen Druckers Christophe Plantin (1514 – 1589) überreicht wurde. Eine kleine Kostbarkeit, die auf einer der ältesten Druckmaschinen Europas gedruckt wurde und die nicht nur Typografen zu schätzen wissen. Vielleicht regt das ja in Hessen mal dazu an, über eine Alternative zur »Hessentasse« als internationales Geschenk nachzudenken ;–)
Wie man den industriellen Wandel nutzen kann und aus einem verlassenen Bergbaustandort einen pulsierenden Kreativ-Hotspot macht, konnten wir eindrucksvoll in der Kleinstadt Genk sehen. Dank eines ungewöhnlich engagierten Bürgermeisters Wim Dries wurden hier die Zeichen der Zeit erkannt und das brachliegende Steinkohlewerk genutzt, um daraus das Kreativzentrum C-Mine mit einem kreativen Hub aus Designzentrum, Hochschule, Inkubator und Kulturzentrum zu entwickeln. So bezog die renommierte Luca School of Arts hier einen neuen Campus, während auf der anderen Seite der alten Fördertürme bereits der Co-Working-Space und Inkubator C-Crib darauf warten, aus jungen Ideen Geschäftsmodelle werden zu lassen.
Ebenfalls dort angesiedelt ist das Microsoft Innovation Center, das sich auf die Förderung von innovativen Konzepten im Bereich Health Care konzentriert und – sicherlich nicht ohne eigenes Interesse – ein Nährboden für neue Business-Modelle sein will – Investors are welcome.
Genk vermittelt hier eine kreative Aufbruchstimmung mit Vorbildcharakter – ganz im Sinne des Zitats von Alan Curtis Kay:
»The best way to predict the future is to invent it.«
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Wie auch bei der vorigen Delegationsreise nach Mailand war der Ausstausch und der Auf- und Ausbau des Netzwerks innerhalb der Delegationsteilnehmer für mich ein wesentlicher Faktor bei der Reise. Darüberhinaus boten die vielen exklusiven Insights erneut eine gute Gelegenheit, über den heimischen Tellerrand hinauszublicken und andere Perspektiven auf kreatives Arbeiten kennen zu lernen – von der politischen wie von der wirtschaftlichen Seite.
Vielen Dank allen Mitarbeitern der HTAI und der Hessen Agentur, insbesondere an Frau Heike Müller-Sedlaczek und Frau Dr. Margarete Kessler, für die gelungene Reiseorganisation und Begleitung vor Ort, an Herrn Folke Mühlhölzer für eine top Reiseleitung und natürlich an Herrn Staatsminister Tarek Al-Wazir für die Initiative und Schirmherrschaft dieser Delegationsreise.
Herzlichst,
Sebastian Pedersen
P.S.: Einen fotografisch sehr ausführlichen und »offiziell« dokumentierten Reisebericht mit vielen Portraits der Teilnehmer gibt es im Blog des Kollegen Olaf Deneberger von Liquid Kommunikation. Besten Dank Olaf für die vielen Impressionen …